Wichtig für Körper und Geist

Interview Expertin Jorun Cramer erklärt zum Ehrentag der Pflanze die Kraft des Grüns

Feldkirchen-Westerham – Sie sind nicht nur ein wunderschöner Blickfang, sondern sorgen auch dafür, dass die Menschheit überhaupt existiert: Pflanzen. Das weiß auch Jorun Cramer, Diplom-Physikerin und Diplom-Wirtschaftsphysikerin aus Feldkirchen-Westerham. Seit 2021 ist die 55-Jährige, die als Lehrerin für Mathematik und Physik an einem Privatgymnasium in München arbeitet, Vorsitzende des Obst- und Gartenbauvereins Vagen-Mittenkirchen. Welche Pflanzen ihr besonders am Herzen liegen, welche besonders pflegeleicht sind und wann sie die positiven Auswirkungen von Pflanzen auf Körper und Geist am eigenen Leib erfahren hat, verrät Cramer zum „Ehrentag der Pflanzen“ am heutigen 13. April im Interview mit den OVB-Heimatzeitungen.

Heute wird der „Ehrentag der Pflanze“ begangen, um das Bewusstsein der Menschen für die Bedeutung von Pflanzen im Alltag zu schärfen. Was bedeuten Pflanzen für Sie persönlich?
Als Mensch hätte ich ohne Pflanzen weder zu essen noch Sauerstoff zum Atmen. Essentieller kann die Bedeutung von Pflanzen kaum sein. Es ist gut, sich zumindest an einem Tag kollektiv als Gesellschaft Gedanken zu machen, ob wir in unserem Handeln der Bedeutung von Pflanzen gerecht werden, oder ob wir sie in ihrer Vielfalt als allzu selbstverständlich hinnehmen. Allerdings hat der Klimawandel auch hier zu einem Bewusstseinswandel geführt. Einen grünen Baum in einem heißen trockenen Sommer sieht man nun mit anderen Augen.

Haben Sie eine Lieblingspflanze?
Früher liebte ich vor allem Pflanzen, die durch Anmut, Schönheit oder durch Duft bezaubern, wie Lilie, Rose, Akelei und Trollblume. Als Naturwissenschaftlerin ist inzwischen jede Pflanze für mich ein Geschenk, das bei näherer Betrachtung so viele aufregende Geheimnisse und Wunder birgt, die es zu erkunden gilt. So faszinieren mich unscheinbare Moose ebenso wie Gräser. Im Moment schätze ich eine Eiche sehr, die unweit unseres Hauses allein auf weiter Flur Wind, Wetter und den Jahreszeiten trotzt. Ihr fühle ich mich sehr verbunden.

Dass Pflanzen existenziell für das menschliche Leben sind, ist wissenschaftlich unbestritten. Haben Pflanzen Ihrer Meinung nach auch einen Einfluss auf die Psyche beziehungsweise das psychische Wohlbefinden?
Unbedingt! Manche Experten meinen sogar, dass eine Vielzahl psychosomatischer Krankheiten und Auffälligkeiten auf die Entfremdung der Gesellschaft von der Natur zurückzuführen sei. Ein Aufenthalt im Wald senkt nachweislich den Cortisol-Spiegel, sodass Stress abgebaut werden kann. Gartentherapie wird in manchen Einrichtungen zur unterstützenden Behandlung von Depressionen eingesetzt. Den positiven Einfluss der Gartenarbeit habe ich selbst während der Schwangerschaft mit meiner jüngsten Tochter erfahren. Ich hatte Stress und Ärger in der Arbeit. In diesem Zusammenhang waren die Werte beim ärztlichen Kontrolltermin nicht gut. Einen Tag Pause mit Gartenarbeit verbracht und die Werte waren zur Verblüffung der Ärzte wieder normal.

Viele Menschen klagen darüber, dass ihnen der grüne Daumen fehlt. Ist es für „Anfänger“ leichter Zimmerpflanzen oder Balkon- beziehungsweise Gartenpflanzen am Leben zu halten?
Wenn man die Grundregel „Die richtige Pflanze am richtigen Standort“ befolgt, ist sicherlich eine Gartenpflanze am einfachsten am Leben zu halten. Fehlen die Fressfeinde, so wächst die Pflanze ohne eigenes Zutun und man muss nur bei extremer Trockenheit gießen und einmal im Jahr mit Kompost für Nahrung sorgen. Aber fällt es nicht dann am leichtesten, für etwas zu sorgen, das man liebt? Also ruhig den Mut haben und die Pflanze wählen, die einem gefällt, ihre Bedürfnisse recherchieren und sie dementsprechend etwas umsorgen – das macht Freude, egal ob im Haus, auf dem Balkon oder im Garten.

Blickpunkt Balkon- oder Gartenpflanzen: Welche Pflanze ist Ihrer Meinung nach besonders pflegeleicht?
Auf dem Balkon sind im Schatten die Klassiker Begonien und fleißige Lieschen und an einem sonnigen Standort die Klassiker Pelargonien (Geranien) und Petunien relativ pflegeleicht und robust, wenngleich auch in der Kritik, da sie den heimischen Insekten kaum etwas zu bieten haben. In einem wilden Naturgarten wie dem meinem darf es im Blumenkasten aber auch einfach mal nur schön sein. Für den Garten sind mehrjährige Blühstauden und Büsche, die im Frühjahr blühen und im Herbst auch noch Früchte tragen, besonders empfehlenswert. Mit Kornelkirsche, Felsenbirne und Schlehen im Garten kann man sich im Herbst mit den Vögeln freuen, die sich den Bauch für den Winter füllen.

Sind Sie persönlich eher der Fan von gepflegten Gärten mit akkurat geschnittenem Rasen oder darf‘s für Sie auch ein bisschen Wildwuchs sein?
Jeder Garten spiegelt das Innere seines Besitzers wider. Meinem Garten sieht man meine Gelassenheit nach dem Motto „Leben und leben lassen“ an – ebenso meinen Zeitmangel dank Beruf, Familie und Ehrenamt. Ohne großes Zutun meinerseits beschenkt mich die Wildnis auf unserem Grundstück mit Zaunkönig im Unterholz, Kröten, Fröschen und Molchen im feuchten Winkel, streunenden Igeln und flink kletternden Eichhörnchen. Im Wandel der Jahreszeiten gibt es in der grünen Natur ständig Neues zu bestaunen und zu entdecken – ein Hoch auf unsere Pflanzen!

Obst- und Gartenbauverein Vagen-Mittenkirchen existiert seit über 100 Jahren
Auf eine über 100-jährige Geschichte kann der Obst- und Gartenbauverein Va gen-Mittenkirchen (OGV) mittlerweile zu rückblicken. 1922 gegründet, hat der Feldkirchen-Westerhamer Verein aktuell 626 Mitglieder, darunter 114 Kinder und Jugendliche. Seit 2021 ist Jorun Cramer, die seit 2013 dem Vereinsvorstand angehört und sich um die Erwachsenenbildung kümmert, Vorsitzende des Vereins. Der OGV zeichnet sich nicht nur durch ein vielfältiges Veranstaltungsprogramm aus, sondern ist auch Eigentümer einer modernen Obstpresse und Träger eines Gemeinschaftsackers sowie mehrerer Streuobstwiesen mit circa 200 Obstbäumen. Zudem betreibt der Traditionsverein das Dorfzentrum Boschnhaus. Jüngst hatten sich Vereinsmitglieder bei der Pflanzaktion zwischen Vagen und Feldolling beteiligt, bei der Bäume als Ausgleich für Pflanzen, die aufgrund des Hochwasserschutzes weichen mussten, gesetzt worden sind. Ausführliche Informationen zum Obst- und Gartenbauverein Vagen-Mittenkirchen gibt es im Internet unter www.ogv-vagen.de.

Jorun Cramer, Vorsitzende des Obst- und Gartenbauvereins Vagen-Mittenkirchen, ist von Pflanzen fasziniert. Zum„Ehrentag der Pflanze“ verrät sie, wieso Pflanzen existenziell sind und welche besonders pflegeleicht sind.Fotos re/dpa

Interview: Mathias Weinzierl

Quelle: OVB-Heimatzeitung