Neuer Wirt dringend gesucht
Kann man mit Hämorrhoiden und grantigen Frauen einen Pächter anlocken? Die Vagener hoffen es. Denn der Schäfflerwirt, Anziehungspunkt des Vereinslebens, steht seit rund eineinhalb Jahren leer. Damit sich das ändert, haben sich die Vagener vor die Kamera gewagt.
Feldkirchen-Westerham – Können die Vagener Frauen wirklich seit über einem Jahr nachts kaum schlafen, weil bei ihnen daheim bis spät in die Nacht der Stammtisch zusammensitzt? Und müssen sie dann auch noch Gesprächen über die großen und kleinen Wehwehchen ihrer Mannsbilder – beispielsweise über lästige und schmerzhafte Hämorrhoiden – lauschen? Nein, so schlimm ist es natürlich nicht. Dennoch hat das knapp zweiminütige Video, das unter anderem unter www.vagen.de zu sehen ist, einen wahren Kern: Denn seit rund eineinhalb Jahren müssen die Vagener ohne eine bayerische Wirtschaft im Ort auskommen. Eine Lücke, die gefüllt werden soll.
Zentraler Inhalt der knapp zweiminütigen Aufnahme: Drei Damen aus Vagen, die sich beim Einkaufen im Kramerladen gemeinsam mit der Verkäuferin über die scheinbar unzumutbaren Zustände, die aufgrund der Schließung des Schäfflerwirts entstanden sind, austauschen. Die Damen, die sich in bayerischem, norddeutschem und sächsischem Dialekt unterhalten, ärgern sich vor allem darüber, dass ihre Männer seit Schließung des Wirts ständig daheim sind und teilweise sogar die Stammtische zu Hause austragen, um sich dort beispielsweise über ihre Hämorrhoiden auszutauschen. Auch die Tatsache, dass sie nun jeden Abend Essen auf den Tisch bringen müssen, bringt die Frauen in Rage. Der eindringliche Appell: Ein neuer Wirt muss her!
Interessenten sind bislang Mangelware
Doch der hat sich – trotz des witzigen Videos – bislang nicht gefunden, wie Georg Schäffler, Inhaber des Gasthofs an der Hofmarkstraße 4, gegenüber dem OVB bestätigt. Seit 31. Dezember 2021 steht der Gastronomiebetrieb, der laut Schäffler eine große Stammtisch-Szene hatte und eine wichtige Anlaufstelle für viele Vagener Vereine war, leer – trotz vieler Maßnahmen, einen Gastronomen ins Mangfalltal zu locken.
Zwei, drei Wirte hatten zwar unverbindlich Interesse bekundet, was sich aber schnell wieder zerschlagen hatte. „Ich verstehe auch nicht, warum sich dafür keiner interessiert“, sagt Schäffler. Zumal nach Angaben des Inhabers „im Grunde genommen nur ein paar Sachen angeschlossen werden müssen und es dann sofort wieder losgehen kann“. Was er gegenüber einem neuen Pächter an Pachtzahlungen abrufen will, dazu will sich Schäffler gegenüber dem OVB nicht äußern. Er stellt aber klar: „Es ist fast keine Ablöse für Inventar und Geräte zu zahlen, was anfällt, ist halt eine Kaution. Alles andere ist letztlich verhandelbar.“
Und was würde ein neuer Wirt dafür bekommen? Eine rustikale bayerische Wirtschaft mit abtrennbaren Sälen und Sitzmöglichkeiten für mehrere 100 Besucher. Zudem einen Biergarten, der ebenfalls rund 100 Besucher fasst. Und sieben Doppelzimmer mit Nasszellen, die nach Angaben von Schäffler vollständig eingerichtet sind und sofort von Urlaubern und Reisenden bezogen werden könnten. „Man kann hier wirklich gutes Geld verdienen“, ist der Inhaber überzeugt und verweist auf vorherige Pächter, unter denen das Gasthaus gut gelaufen sei. Schäffler weiß aber auch: „Man muss halt wirklich viel Zeit investieren und Wirt mit Leib und Seele sein.“
Doch was passiert, wenn kein Gastronom die Aufgabe, dem Gasthaus wieder Leben einzuhauchen, übernehmen will? „Ich habe keinen Plan B und will mir darüber jetzt auch noch keine Gedanken machen“, sagt Schäffler, der aber auch betont: „Dass das jetzt noch fünf Jahre leer steht, kann ich mir nicht leisten.“ Zumal der Leerstand den Räumlichkeiten nicht guttue. „Je länger es leer steht, umso schwieriger wird es, das Gasthaus überhaupt wieder in Schwung zu bekommen“, warnt der Inhaber vor zu langer Vakanz.
Damit es dazu erst gar nicht kommt, haben sich Mitglieder unterschiedlichster Vereine unter dem Titel „Rettet den Dorfwirt Schäffler“ zusammengetan und überlegt, wie ein neuer Wirt angelockt werden könnte. Zunächst hatten sie sogar überlegt, eine „Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ (GbR) zu gründen, um das Wirtshaus in Eigenregie zu betreiben, wie Hans Kellerer junior, Vorsitzender des Hufeisenclubs Vagen, erklärt, aber: „Letztlich hätte eine Person die Verantwortung übernehmen müssen. Und die war nicht zu finden.“
Dafür kamen die Vereinsvertreter letztlich auf die Idee mit dem Film, zu der Kellerer innerhalb weniger Tage das Drehbuch geschrieben hatte.
Schauspieler und Filmemacher helfen
Mit Oliver Juchem war schnell ein passender Filmemacher gefunden, mit Hans Schuler ein Schauspieler, der in Vagen lebt und deren Gesicht aus Rollen in zahlreichen TV-Filmen und Serien vielen Menschen bekannt ist. Kellerers Tochter Marina ließ sich zudem dazu überreden, eine der Frauen zu spielen. „Das hat richtig Spaß gemacht“, sagt die junge Frau, die derzeit eine Ausbildung in der Feldkirchen-Westerhamer Gemeindeverwaltung macht. „Wir waren auch eine wirklich coole Gruppe.“ Auch ihr als junge Frau mit gerade einmal 19 Jahren fehle der Schäfflerwirt als Anlaufstelle im Dorf. „Sobald ich 16 geworden bin, waren wir da oft auch mit Freunden“, erinnert sie sich zurück.
Der knapp zweiminütige Film, der einem Gastronomen Geschmack auf den Schäfflerwirt machen soll, war dann innerhalb weniger Stunden im Kasten. Rund zwei Stunden wurde im Dorfladen gedreht, weitere Szenen im Feuerwehrhaus. „Alleine die Entstehung zeigt, wie groß der Zusammenhalt im Dorf ist“, findet Kellerer junior. „Wenn es hart auf hart kommt, dann sind alle Vereine da und halten zusammen.“
Eine Tatsache, die auch bei der Entscheidung eines Wirts eine wichtige Rolle spielen könnte, auch „wenn sich bislang auf das Video leider noch keiner gemeldet hat, obwohl das Video schon viele gesehen haben“, wie der Hufeisenclub-Vorsitzende weiß. Denn dass der Schäfflerwirt auch unter einem neuen Pächter ein wichtiger Treffpunkt fürs Dorfleben werden würde, daran lässt Hans Kellerer junior keine Zweifel: „Da haben sich ja nicht nur unzählige Vereine getroffen, sondern man ist auch nach Veranstaltungen oder Trainings zum Wirt gegangen, um eine Halbe zu trinken“, erinnert sich der Vagener. „Dass es bald wieder so ist, wäre ein großer Wunsch des ganzen Dorfes.“
Hier können sich Interessenten hinwenden
Wer Interesse hat, den Schäfflerwirt zu übernehmen und dem Gasthof neues Leben einzuhauchen, der kann sich mit Besitzer Georg Schäffler in Verbindung setzen. Schäffler ist telefonisch unter 0 80 62/9 05 60 sowie per E-Mail an die Adresse info@schaeffler-saegewerk.de zu erreichen.
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Georg Schäffler (links), Inhaber des Schäfflerwirts in Vagen bei Feldkirchen-Westerham, hofft, dass bald ein Wirt gefunden wird, der dem Gasthof neues Leben einhaucht. Foto Weinzierl |
Quelle: OVB-Heimatzeitung - Text: Mathieas Weinzierl, Foto: Mathias Weinzierl, Walter Rösel