Dirndlverein Vagen ist Geschichte
Nach 15 Jahren muss sich der Verein auflösen – Wehmut aber auch Erleichterung
Feldkirchen-Westerham – Geblieben ist den Mitgliedern neben vielen Erinnerungen und Freundschaften letztlich nur die einheitliche blaue Schürze, die als Markenzeichen für ihre Gemeinschaft stand: Nach 15 Jahren hatte sich Mitte Februar der Dirndlverein Vagen aufgelöst. Was letztlich zum Ende des Vereins geführt hatte, darüber hat die letzte Führungsriege jetzt mit den OVB-Heimatzeitungen gesprochen. Und verrät dabei, dass das Aus nicht nur für Enttäuschung, sondern auch für Erleichterung gesorgt hat.
Mit vielen Ideen und Zielen war der neue Vorstand um Vorsitzende Amelie Gürtler (22) nach den Neuwahlen im Herbst 2019 kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie in die Amtszeit gestartet. Doch bereits damals gab es erste Vorboten, dass die Zukunft des Vereins auf tönernen Füßen steht. Am Abend der Neuwahlen hatten zwar vier Frauen ihre Mitgliedsanträge unterschrieben. Dennoch fiel es dem gut 30 Mitglieder starken Verein bereits 2019 schwer, Ämter im Vorstand zu besetzen.
Fehlende Nachfolge besiegelte Aus
Eine Situation, die sich jetzt wiederholte. Und letztlich das Aus des Vereins besiegelte. Denn Amelie Gürtler, die betont, dass es keine Streitigkeiten im Vorstand gegeben habe, stand für eine weitere Amtszeit als Erste Vorsitzende nicht zur Verfügung. Eine Nachfolgerin war nicht in Sicht. „Für mich war klar, dass ich mit meinem Studium keine Zeit mehr habe, das Ganze voranzutreiben“, sagt die 22-Jährige. Wie auch ihre Mitstreiterinnen in der Vereinsführung, die zwar für eine untergeordnete Funktion im Vorstand, nicht aber für den Posten der Ersten Vorsitzenden zur Verfügung gestanden hätten.
So will sich Amelie Gürtlers Schwester Magdalena, die im Alter von 16 Jahren den Verein mitgegründet hatte, mit 31 Jahren „eher mehr zurückziehen“, Schriftführerin Theresa Riederer (26) hängt hingegen als Lehramtsreferendarin komplett in der Luft, in welcher Region Bayerns sie demnächst eingesetzt wird. Deren Stellvertreterin Julia Wolf (19) ist mit ihrem Studium, für das sie nach München pendelt, ebenfalls ausgelastet. Um den Verein dennoch am Leben halten zu können, hatten die Vagener Dirndl „jede Menge versucht“, wie Amelie Gürtler verrät. „Wir haben beispielsweise geprüft, ob wir nicht in irgendeiner Form mit dem Burschenverein zusammengehen können“, erinnert sich Magdalena Gürtler. „Das ist von der Vereinssatzung her aber nicht gegangen.“
Auch ein Zusammenschluss mit anderen Dirndlvereinen habe keinen Sinn ergeben, „weil die die selben Probleme bei der Suche nach Führungskräften haben“, so Julia Wolf. So stand am Ende die schwere Entscheidung, den Verein aufzulösen. „Wir wollten den Fortbestand letztlich nicht erzwingen“, sagt Magdalena Gürtler. Was auch im Sinne ihrer jüngeren Schwester Amelie war, die auf keinen Fall andere Mitglieder unter Druck setzen wollte, das Amt der Ersten Vorsitzenden zu übernehmen, um eine Auflösung zu verhindern. Denn ihr sei es 2019 bei ihrer Wahl ähnlich ergangen.
Ende war mit viel Bürokratie verbunden
Dem Schlussstrich unter dem Verein stimmte nun letztlich die notwendige Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder zu. Was danach folgte, waren bürokratische Akte, die Amelie Gürtler vermutlich mehr Zeit und Nerven gekostet haben, als die Planungen von Vereinsprojekten wie den Stand auf dem Christkindlmarkt, Feste oder Vereinsausflug. So musste sie nicht nur einen Notar konsultieren, sondern sich auch mit einem sogenannten Liquidator auseinandersetzen, der alle Unterlagen – von Mitgliederlisten bis zu Sitzungsprotokollen – übernommen hatte und sich nun um die restliche Abwicklung kümmert.
Ein Aufwand, der erahnen lässt, wieso Amelie Gürtler nach der Auflösung nicht nur Wehmut, sondern auch ein bisschen Erleichterung verspürt. „Das Ganze hat sich ja mehr als ein halbes Jahr hingezogen“, erinnert sich die 22-Jährige. „Ich war dann schon auch erleichtert, als alles vorbei war.“ Auch wenn sie im Rückblick primär schöne Erinnerungen an den Dirndlverein habe, wie beispielsweise die Vereinsausflüge, die ihr ganz neue Möglichkeiten eröffnet hätten. So sei sie als Jugendliche erstmals in eine Rosenheimer Lokalität gekommen, in der sie aufgrund ihres Alters eigentlich nichts zu suchen hatte. „Das hat nur funktioniert, weil wir als Gruppe unterwegs waren“, erzählt die 22-Jährige und lacht.
Auch Gründungsmitglied Magdalena Gürtler erinnert sich gerne an das bunte Vereinsleben zurück. „Deshalb war die Auflösung für mich ja auch so schlimm“, sagt die 31-Jährige. „Wir haben uns diesen Stand und diesen Stellenwert in Vagen, den wir erreicht haben, ja hart erarbeiten müssen.“ Dennoch könne sie die Erleichterung ihrer Schwester natürlich nachvollziehen, als die Hängepartie über den Fortbestand des Vereins letztlich beendet war.
Ebenso wie die Vorstandskolleginnen Riederer und Wolf, denen unter anderem „die Burschenfeste, die ein echtes Highlight waren“, in Erinnerungen bleiben werden.
Und vor allem das Gemeinschaftsgefühl, das die jungen Frauen durch den Dirndlverein verspürt hatten. Daher können sie anderen Kindern und Jugendlichen aus eigener Erfahrung nur raten, sich Gemeinschaften anzuschließen. „Diese soziale Komponente ist ganz wichtig“, findet beispielsweise Magdalena Gürtler, die nicht nur daheim, sondern auch in den Vereinen „Werte vermittelt“ bekommen und „das Zusammenleben mit anderen gelernt“ hat: „Man lernt dort wirklich für das ganze Leben.“
Was bleibt, sind die schönen Erinnerungen
Und sammelt zudem bleibende Erinnerungen. Wie beispielsweise die an das Vagener Dorffest, das Theresa Riederer als „den Höhepunkt des Jahres im Dorf“ bezeichnet und bei dem Anfang August wieder alle Vereine und Bürger zusammenhelfen und zusammenkommen werden. Und auf das sich auch die vier ehemaligen Vorstandsmitglieder des Dirndlvereins bereits heute narrisch freuen.
„Das ist eine feste Größe im Terminkalender“, sagt Julia Wolf, Amelie Gürtler ergänzt: „Den Termin darf man echt nicht verpassen.“ Vielleicht wird zu diesem Höhepunkt des Jahres dann auch das ein oder andere Ex-Mitglied des Dirndlvereins die markante, blaue Schürze wieder aus dem Schrank holen und zum Dirndl tragen. Denn, das machen die vier Frauen unmissverständlich klar: „Auch ohne Verein sind und bleiben wir Vagener Dirndl.“
Foto: Die Gründungsmitglieder: (von links) Zweite Schriftführerin Julia Wolf, Schriftführerin Theresa Riederer, Vorsitzende Amelie Gürtler und Zweite Vorsitzende Magdalena Gürtler mussten den Verein schweren Herzens auflösen. Foto Weinzierl
Quelle: OVB-Heimatzeitung - VON MATHIAS WEINZIERL